"Leitung an die Leitung" - Zum Auftakt ihres 60-jährigen Jubiläums hat die TelefonSeelsorge Deutschland am Montag, 2. November, einen Aktionstag unter dem Motto „Leitung an die Leitung“ durchgeführt. Evangelische wie katholische Bischöfe waren ebenso wie Präsides und andere Kirchenleitungen eingeladen, eine der 105 TelefonSeelsorge-Stellen im Bundesgebiet zu besuchen, um sich von der Arbeit der beinahe 8.000 Ehrenamtlichen in Deutschland ein Bild zu machen. Auch die TelefonSeelsorge Bochum nahm an dieser Aktion teil und hatte den Essener Weihbischof Ludger Schepers zu einem offenen Austausch in die Einrichtungsräume eingeladen.
Im Zentrum des Gesprächs, an dem sechs ehrenamtliche Mitarbeiterinnen, Einrichtungsleiter Ludger Storch, Teamassistentin Monika Schmidt sowie Caritasdirektor Ulrich Kemner als Träger teilnahmen, stand der Alltag am Telefon. Die hohe Frequentierung der telefonischen Hilfe war ebenso Thema wie die große Bandbreite der Anliegen der Anrufenden bzw. der Online- Ratsuchenden. Einsamkeit oder Beziehungsprobleme, aber auch Trauer und Ärger oder Wut über ein verpfuschtes Leben begegnen den Ehrenamtlichen nahezu in jeder Schicht, die sie absolvieren. Besonders haben in der letzten Zeit Anrufe von Menschen mit psychischen Erkrankungen zugenommen. Ein weiterer, wenig erfreulicher Trend sind die immer öfter eingehenden „Spaßanrufe“ und sexuellen Belästigungen, mit denen die überwiegend weiblichen Mitarbeiterinnen konfrontiert werden.
Gleichzeitig wurde in der gut eineinhalbstündigen Gesprächsrunde mit Weihbischof Ludger Schepers deutlich, wie sehr die ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen von ihrer Tätigkeit am Telefon profitieren. So waren sich alle einig, dass die intensiven Schulungen und Supervisionseinheiten, die die Telefonseelsorge sowohl als Vorbereitung auf den Einsatz am Telefon als auch begleitend anbietet, die persönliche Entwicklung fördern. "Ich nehme mich selbst ganz anders wahr und konnte das, was ich hier über Kommunikationsprozesse gelernt habe, schon häufig in meinem beruflichen und familiären Umfeld anwenden", berichtet Ursula M.*, die seit drei Jahren ehrenamtlich in der Telefonseelsorge engagiert ist. "Überhaupt erfahre ich durch dieses Ehrenamt eine unglaubliche Wertschätzung. Ich habe mich noch nirgendwo so gut eingebunden und begleitet gefühlt."
Den Besuch des Weihbischofs verstehen die haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der ökumenisch verantworteten Stellen ebenfalls als Anerkennung ihrer Arbeit. Einrichtungsleiter Ludger Storch fasst die Eindrücke des Nachmittags zusammen: "Es ist schon etwas Besonderes, sich mit einem hochrangigen Vertreter des Bistums und damit unserem Arbeitgeber so intensiv über unsere seelsorglichen Tätigkeit am Telefon auszutauschen. Dabei geht es nicht nur um uns selbst, vielmehr können wir auf diesem Weg auch etwas für die Menschen erwirken, die sich hilfesuchend an uns wenden."
* Der Name wurde verfremdet, da die Mitarbeiter/-innen der Telefonseelsorge anonym arbeiten.
Hintergrundinfo:
Am 2.November 1953 platzierte der anglikanische Pfarrer Chad Varah in London erstmals das telefonische Angebot: "Before you commit suizide, ring me up!" (Bevor Du beschließt, Dich umzubringen, ruf mich an). In der Folgezeit erhielt Varah eine Flut von Anrufen. Er setzte sein Angebot kontinuierlich fort, wurde in kurzer Zeit von vielen Freiwilligen unterstützt und gilt so als der Gründervater der TelefonSeelsorge. In Berlin wurde die Idee von dem Arzt und evangelischen Pfarrer Klaus Thomas aufgenommen. Dieser rief 1954 zu einer praktischen „Lebensmüdenbetreuung“ auf, versammelte Seelsorger und Psychiater um sich, um nach dem Londoner Modell einen telefonischen Suizidverhütungsdienst einzurichten. Im Oktober 1956 wurde eine private Telefonnummer für die „Ärztliche Lebensmüdenbetreuung“ in der Presse veröffentlicht. Dies ist die Geburtsstunde der TelefonSeelsorge in Deutschland.
2016 kann die TelefonSeelsorge in Deutschland mit jetzt 105 Stellen als bundesweites Netzwerk ihr 60-jähriges Jubiläum feiern. Bundesweit werden mittlerweile fast 2 Millionen Gespräche im Jahr geführt. Als Seelsorgeangebot der beiden Kirchen wird die Arbeit, maßgeblich durch das Engagement von rund 8.000 ehrenamtlichen Telefonseelsorger/innen verwirklicht.
Die TelefonSeelsorge Bochum wurde vor 36 Jahren gegründet. Derzeit sind 86 Frauen und Männer ehrenamtlich im Einsatz, damit das Hilfeangebot 24 Stunden am Tag und 365 Tage im Jahr vorgehalten werden kann.